Hommage an die „Göttinger Sieben“

Wikipedia, „Denkmal der Göttinger Sieben vor dem Niedersächsischen Landtag in Hannover“, (Zugriff am 23.02.2025), gemeinfrei.

Seit dem 20. März 1998 hat Hannover ein Denkmal für Zivilcourage. Damit wird an ein historisches Ereignis von 1837 zur Zeit des Königreichs Hannover erinnert. Gleichzeitig werden damit sieben Göttinger Professoren geehrt, die dem König mit ihrer mutigen demokratischen Haltung entgegentraten. Mit Zivilcourage eben. Es muss hier auch gesagt werden, dass sie keine Revolutionäre waren. Aber sie hatten keine Angst vor Fürstenthronen.

Gleich zu Beginn seiner Regentschaft in Hannover schaffte König Ernst August am 1. November 1837 kurzerhand einseitig und selbstherrlich in einem Willkürakt die Verfassung ab. Mit ihrer „Protestation“ gaben die Sieben ihren Unmut zum Ausdruck, wofür sie ihre Ämter im Staatsdienst einbüßten, drei wurden darüber hinaus des Landes verwiesen. Die Unterzeichner der „Protestation“ waren Friedrich Christoph Dahlmann, Ernst Albrecht, Jacob und Wilhelm Grimm, Heinrich Ewald, Gerhard Gottfried Gervinus und Wilhelm Weber.

Hannoveraner und viele Bahnreisende kennen das Denkmal vor dem hannoverschen Hauptbahnhof, das den Monarchen Ernst August behelmt und in Uniform als Reiterstandbild zeigt. Hier traf und trifft man sich noch heute „unterm Schwanz“.

In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts musste das Denkmal diesen Standort wegen des U-Bahn-Baus verlassen. Es erhielt einen Platz neben dem alten Königsschloss an der Leine, dem jetzigen Landtagsgebäude und stand vorübergehend auf einem Behelfssockel aus Kunststoff. Nach Eröffnung der U-Bahn und Rückkehr des bronzenen Reiters auf den angestammten Marmorsockel blieb der Kunststoffsockel mehr als zehn Jahre lang leer.

1988 veranstaltete die Adolph-Freiherr-von-Knigge-Gesellschaft eine öffentliche Diskussion, wie mit dem leeren Ersatzsockel nun umzugehen sei. Die früheren Abgeordneten Rolf Wernstedt (SPD) und Walter Hirche (FDP) hatten zuvor schon eine Ehrung der Göttinger Sieben angeregt. Die Idee brachte viele kreative Aktionen zum Vorschein. Beispielsweise porträtierten sieben hannoversche Künstler je einen der Sieben.

Eine weitere Initiative ging von sieben hannoverschen SPD-Abgeordneten aus. Sie schlugen sieben Thesen an einen Bauzaun vor dem Landtag mit der Forderung „Wir tun hiermit allen Menschen dieser Stadt und dieses Landes kund, daß vor diesem Hause des Niedersächsischen Landtages ein Denkmal für die Göttinger Sieben aufgestellt werden soll.“ Die sieben Hannoveraner waren Heidi Alm-Merk, Michael Auditor, Werner Holtfort, Wolfgang Jüttner, Axel Plaue, Herbert Schmalstieg und Rolf Wernstedt.

Dr. Werner Holtfort konnte Mitglieder aller im Landtag vertretenen Parteien davon begeistern, in einem Kuratorium für das Denkmal mitzuwirken. Daneben sagten künstlerische Sachverständige und Vertreter der Landeshauptstadt Hannover ihre Mitarbeit zu. Den Vorsitz übernahm Landtagspräsident Horst Milde, der von nun das Gremium bis zur Fertigstellung des Denkmals leitete.

30 Künstlerinnen und Künstler wurden zu einem Denkmalswettbewerb eingeladen. Das waren neben deutschen und ausländischen Künstlern auch die Bildhauerklassen der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig und der Fachhochschule für Gestaltung in Hannover. Vorgaben gab es nicht; erwartet wurden lediglich „Verbindlichkeit“ und „Zugänglichkeit“, um etwas von dem Geist und der Haltung der Sieben zu vermitteln.

Am 10. Dezember 1992 erhielt der Platz neben dem Landtag den Namen „Platz der Göttinger Sieben“. Bei dem Anfang März 1993 veranstalteten Symposium wurde vereinbart, die Wettbewerbsentwürfe bis zum 1. Juli 1993 einzureichen. Das Kuratorium, das gleichzeitig als Jury fungierte, entschied sich für die fünf Preisträger Floriano Bodini und Trak Wendisch (durch einstimmiges Votum), Per Kirkeby, Michael Schoenholtz und Heinz Günter Prager (durch Mehrheitsbeschluss). Wunsch der Jury war, dass der Entwurf des Mailänder Bildhauers Bodini realisiert werden sollte. Alle politischen Richtungen bekannten sich demnach mit der Juryentscheidung einstimmig zu unserem Denkmal; ein echtes Landesdenkmal also!

Bis zur Realisation war es noch ein weiter Weg. Zunächst musste das Modell des Preisträgers Floriano Bodini in die Mailänder Gießerei Fonderia Artistica Battaglia gebracht werden, wo der Künstler zunächst die Gipsfiguren herstellte.

Landesmittel für das Denkmal sollten nicht in Anspruch genommen werden. Horst Milde sprach erfolgreich namhafte niedersächsische Unternehmen, Stiftungen und Verbände an. Daneben haben sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger; Studierende und Lehrende der Universitäten Göttingen und Osnabrück sowie Mitglieder der niedersächsischen Landesregierung und -verwaltung eingebracht. Jede noch so kleine Spende war willkommen.

Die Gesamtkomposition des bronzenen Denkmals besteht aus sieben überlebensgroßen Figuren. Vier von ihnen stehen mit dem auf einem traditionellen Sockel isoliert als Reiterstandbild dargestellten König in Konfrontation, da sie „nur“ ihres Dienstes enthoben wurden, aber im Königreich Hannover verbleiben konnten. Die drei Figuren jenseits des Tores suchen im Exil eine neue Zukunft. Am Tor seitlich ist angebracht die Skulptur eines jungen Mannes, vielleicht ein Student, der den Protest gegen den Willkürakt überliefern wird. Bodini hat den Figuren die Physiognomie von Freunden verliehen, die ihn mit ihren Verhaltensweisen an die Charaktere der Göttinger Sieben erinnerten.

Horst Milde machte deutlich, dass „das Denkmal genau an der heutigen Stelle nach wie vor eine Mahnung an das niedersächsische Landesparlament (ist), im Geist der Göttinger Sieben für die stets gefährdete Demokratie einzutreten und sie gegenüber allen Widersachern zu verteidigen“,

Sylvia Remé

Dr. Sylvia Remé war in unterschiedlichen Funktionen in der Niedersächsischen Landesregierung und im Niedersächsischen Landtag tätig. In ihrer Funktion als Mildes Büroleiterin hatte sie die Geschäftsführung des Kuratoriums inne. Sie schrieb die Dissertation Werner Holtfort. Biographie eines Anwalts und Politikers in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. – Diese Kolumne wird betreut von Prof. Dr. Carl-Hans Hauptmeyer.