Das hannoversche Familienunternehmen Kuntze & Burgheim
In der Frühstücksstube eines Kolonialwarenladens in Linden wurde die Idee geboren, im Kohlenschuppen des Hinterhofes eine Haushaltswäscherei einzurichten. Der Standort Linden war geeignet: „Man hat damals gesagt, das musst Du in Linden machen, da wohnen die Armen. Die Reichen, die hatten ja früher die Waschfrauen.“
Ähnlich begann die Geschichte vieler mittelständischer Unternehmen in Hannover. Sein Geschäftshaus in der Lindener Elisenstraße, parallel zur Limmerstraße, hatte Friedrich Kuntze zusammen mit seiner Frau Johanne, geborene Asselmeyer, 1906 für 20.000 Mark erworben. Dort betrieben sie ein Kolonialwarengeschäft, mit einer Konzession für Branntwein- und Kohlenhandel.
Wie Tausende von Bauern, kleinen Handwerkern und Landarbeitern hatte es auch Friedrich Kuntze und Johanne Asselmeyer in die im 19. Jahrhundert rasant anwachsende Stadt gezogen. Der enorme Bevölkerungsanstieg Hannovers, seit 1920 vereint mit Linden, war folgenreichste Begleiterscheinung der Entwicklung der ehemaligen königlichen Residenzstadt zu einer Wirtschaftsmetropole. Sohn Fritz Kuntze junior hatte den Kaufmannsberuf erlernt, entschloss sich 1928 aber, sich mit seiner Frau Gertrud mit einer Wäscherei selbständig zu machen. Bald blühte das Geschäft. Das lag vor allem an der umständlichen und anstrengenden Prozedur, die das Waschen für die Frauen bedeutete. Kuntze lieferte die Wäsche nass aus und in den Haushalten wurde sie getrocknet.
Im Zweiten Weltkrieg aber wurde das Firmengebäude schwer beschädigt. Die Familie zog in ihr Wochenendhaus am Steinhuder Meer. Im ehemaligen Strandhotel dort waren nach Kriegsende amerikanische Truppen einquartiert. Diese suchten nach einem „laundry-man“: der beim Ferienhaus abgestellte Lieferwagen brachte sie auf die Kuntzes. So gab es bald neue Aufträge von „Amis“ und auch von den „Tommys“, also den englischen Soldaten. Gewaschen wurde in Hannover, transportiert mit einem Lastwagen der Engländer.
Seit November 1946 firmierte der Betrieb als „Kuntze & Burgheim Dampfwäscherei oHG“. Hans Burgheim hatte im März 1935 Fritz’ Schwester Else Kuntze geheiratet. Auf dem von einer Fliegerbombe zerstörten, angrenzenden Eckgrundstück der Elisenstraße 10 wurde 1950 ein Neubau fertiggestellt, der die Betriebsflächen erheblich vergrößerte.
Neue Mitarbeiter fand Kuntze & Burgheim unter den Menschen, die aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Hannover strömten. Allein bis Anfang November 1946 waren etwa 43.000 Übersiedler in der Stadt angekommen. Mit der Einstellung vieler Vertriebener hat auch die Firma Kuntze & Burgheim einen bemerkenswerten Beitrag zur Integration dieser Bevölkerungsgruppe geleistet. Rasch entwickelte sich Kuntze & Burgheim zum größten Nasswäsche-Produzenten in Europa; hier wurden pro Woche bis zu 145 Tonnen Wäsche bearbeitet. Deshalb wurde 1956 eine zusätzliche Produktionshalle in der Vahrenwalder Straße 191 eröffnet.
Seit den 1960er Jahren schrumpften die Berge der zu verarbeitenden Wäsche allerdings merklich. Dafür sorgten neben den kleiner werdenden Familien auch die in Mode kommenden Haushaltswaschmaschinen. Alle Wäschereien mussten einsehen, dass sie den Kampf gegen die Haushaltswaschmaschinen nicht gewinnen konnten. Doch die Vermietung von Textilien wurde der Markt der Zukunft. Mittelständische Unternehmen schlossen sich zusammen, um das Gebiet der Bundesrepublik mit Mietberufskleidung zu versorgen. Kuntze & Burgheim gehörte 1971 zu den Gründungsmitgliedern der DBL (Deutsche Berufskleider-Leasing GmbH).
Als 1990 die DDR der Bundesrepublik Deutschland beitrat, war auch Kuntze & Burgheim bald in den neuen Bundesländern im Geschäft. Am 1. April 1995 startete der Betrieb im neuen Werk Hermsdorf bei Magdeburg. Seit 2004 ist Kuntze & Burgheim auch in Teilen von Brandenburg und Berlin tätig. Inzwischen leitet bereits die dritte Generation die Geschicke des mittelständischen Betriebes. Hannoversche Firmengeschichte ist immer auch ein Stück Stadtgeschichte!
Dr. Angelika Kroker ist freiberufliche Historikerin und verfasste 2003 eine Chronik über Kuntze & Burgheim, u.a. mit vielen Interviews.
Der Text erschien bereits als Artikel in der Reihe „hannover historisch“ im hannoverschen Magazin „STADTKIND“ in Ausgabe 10/2016. Die Wiederveröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des STADTKIND-Magazins. Diese Kolumne wird betreut von Prof. Dr. Carl-Hans Hauptmeyer.