Der Mittellandkanal verbindet das westdeutsche Binnenschifffahrtsgebiet um den Rhein über den DortmundEmsKanal mit der Elbe und dem östlichen Wasserstraßennetz. Damals wie heute ist diese längste künstliche Wasserstraße Deutschlands für den Massengütertransport unabdingbar. Sie ist zugleich ein wichtiger wasserwirtschaftlicher Faktor und eine großartige historische Ingenieursleistung. Mit dem Bau des Mittellandkanals wurde Hannover nach dem Niedergang der Leineschifffahrt erneut zur Hafenstadt.
Im Verlauf der vor beinahe 100 Jahren eröffneten hannoverschen Kanallinie lagen der Nordhafen, der privat geführte Brinker Hafen, die firmeneigene Uferladestelle der Continental, zwei kleinere städtische Ladestellen und der ebenfalls privatwirtschaftlich initiierte Misburger Hafen. Der Lindener Hafen erstreckte sich am Ende des Lindener Zweigkanals und der Leine oder Stapelhafen, ebenfalls im Zuge des Mittellandkanalbaus angelegt, befand sich am rechten Leineufer, kurz unterhalb der Vereinigung von Leine und Ihme.
Eröffnet wurde der Leinehafen im August 1917 mit den zum Warenumschlag notwendigen Nebenanlagen. Der Hafen im hannoverschen Stadtgebiet hatte keinen Eisenbahnanschluss erhalten, sondern nur einen Anschluss zur hannoverschen Straßenbahn und war dadurch vorrangig für den Ortsverkehr nutzbar. Durch die Eingemeindung der Stadt Linden im Jahr 1920 nach Hannover wanderte der Warenverkehr zum Lindener Hafen ab. Die beiden konkurrierenden Häfen, der Leinehafen und der Lindener Hafen, konnten sich zwar in den frühen 1920erJahren noch ergänzen, aber der Leinehafen blieb ohne einen Eisenbahnanschluss immer die schlechtere Alternative zum Lindener Hafen.
Der Hafenbetrieb in Linden startete am 18. April 1917. Mit der Anlage des dortigen Kanalhafens hatten die Lindener Stadtväter versucht, gewerbliche Neugründungen, die seit den 1890er stagnierten, zu forcieren. Noch zu Beginn der 1930erJahre trug der Lindener Hafen den Hauptverkehr der Hannoverschen Hafenanlagen, obwohl der Nordhafen eigentlich Hannovers verkehrswirtschaftliches Tor zur Welt werden sollte. Doch bis der Nordhafen die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen konnte, vergingen mehrere Jahrzehnte.
Es war allerdings zunächst das Dorf Brink, das als erstes einen eigenen Hafen baute. Denn außerhalb der Kanalbaudirektion erkannten nur wenige die wirtschaftliche Bedeutung des künstlichen Wasserweges für das Kanalumfeld. Einem Brinker Lehrer jedoch gelang es, die Gemeindeväter und die in der Nachbarschaft siedelnden Industriebetriebe von den Vorteilen eines Hafens zu überzeugen. Am 13. November 1913 wurde die Brinker Hafengesellschaft ins Notariatsregister eingetragen. Nach der Verkehrsfreigabe des Mittelandkanals bis Hannover im Herbst 1916 nahm der privatwirtschaftlich geführte Brinker Hafen seine Arbeit auf. Bis zum 9. Dezember 1916 konnte schon die Ladung von sechs Kohlefrachtern gelöscht werden. Für die Rückfahrt ins Ruhrgebiet wurden die Schiffe mit Kartoffeln beladen. Durch die verzögerte Fertigstellung der großen Warenumschlagplätze während des Ersten Weltkrieges in den Bauamtsbezirken Hannover und Linden musste der hannoversche Schiffsverkehr zuerst über den Hafen Brink abgewickelt werden.
Die Erschließung der anderen Hafenanlagen nahmen die Betreiber mit Unterstützung der Militärverwaltung in Angriff, und so konnte zumindest im Frühjahr 1917, nach einer längeren Frostperiode, mit der Ausfuhr von Erzen der Ilseder Hütte bei Peine für das rheinischwestfälische Industriegebiet begonnen werden. Die unter den Kriegsbedingungen schleppende Ausführung der Hafenanlagen verzögerte einen erfolgreichen Start. Auch waren Kräne schlecht zu beschaffen. Daher fand die Betriebseröffnung des Nordhafens erst im Februar 1918 statt – eineinhalb Jahre nach der vorläufigen Verkehrsfreigabe des Mittellandkanals. Im Nordhafen Hannover wurde im Sommer 1918 von der Militärverwaltung eine Erzkippanlage eingerichtet, die im Herbst 1918 in Betrieb genommen werden konnte.
Zu der Zeit verschickte die Ilseder Hütte ihre Erze allerdings bereits über den Misburger Hafen. Denn nach den langwierigen Verhandlungen zur Lage der hannoverschen Häfen hatte sich der vorläufige Endhafen des ersten Kanalbauabschnitts vom DortmundEmsKanal auf das Misburger Gebiet verschoben. In Misburg war zwar bereits 1912 eine Betreibergesellschaft für den Hafen gegründet worden, doch verzögerte sich auch hier die Eröffnung bis 1917. Der Misburger Hafen wurde erst ab 1974, mit der Eingemeindung der Stadt Misburg, zu den Hannoverschen Häfen gezählt.Mittlerweile erfüllt der Mittellandkanal im hannoverschen Stadtgebiet eine weitere wichtige Funktion; er lädt ein zu Spaziergängen und Radtouren an seinen Ufern.
Nadja Al-Mazraawi
NADJA AL-MAZRAAWI
ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Niedersächsischen Institut für Historische Regionalforschung e.V. und verfasste ihre Dissertation über den Mittelandkanal. Die monatliche Kolumne „hannoverhistorisch“ wird betreut von Prof. Dr. Carl-Hans Hauptmeyer.
Der Text erschien bereits als Artikel in der Reihe „hannover historisch“ im hannoverschen Magazin „STADTKIND“ in Ausgabe 11/2015, S. 24. Die Wiederveröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des STADTKIND-Magazins.